22.04.2009

Meine Reminiszenzen

Wenn einen der Blick in die Zukunft ratlos und verängstigt zurücklässt, schweift man lieber in die Vergangenheit um dort etwas zu finden, was den Weg weisen kann.
Mein Blick in die Vergangenheit: nicht zielgerichtet, sondern im Vorbeigehen geschweift.
Was ich fand?

Ersten: Dr. Pepper. Das war das Lieblings- und auch einzige Getränk für Gottes Tochter, die Protagonistin eines Buches, das ich als Teenager liebte. Und dann, in Kambodscha, sah ich auf einmal eine Dose dieses damals so mystischen Getränkes. Gekauft, probiert und...köstlich!
Erste Reminiszenz: Zugewinn.

Zweitens: Dubai - Lulu Hypermarket. Nicht nur hat meine Heimatstadt den Spitznamen Lulu, in diesem Supermarkt fand ich eine Reminiszenz die in meine Zukunft weist. Nämlich 'Teen Spirit'. Jenes ominöse Deodorant, nachdem Kurt Cobain (oder in anderen Versionen seine damalige Freundin) roch daraufhin zu 'Smells like Teen Spirit' inspiriert wurde. Zu finden auf 'Nevermind', meiner ersten richtigen CD im Sinne von 'Das ist Musik, das ist Protest - keine hirnloses DumDamDam und Bämbämbäm'. Das war 1995 und meine erste Liebe wurde zu meiner großen Liebe, ohne dass ich, 12jährig, davon etwas ahnte.
Natürlich kaufte ich mir 'Teen Spirit - Berry Blossom'. Und jeden Morgen, wenn ich ratlos in den Spiegel schaue, fällt mein Blick auf den Stick und erinnert mich daran, was ich seit damals so bedingungslos wie fast nichts anderes liebe: Musik.
Zweite Reminiszenz: Vergangenheit mit Zukunft.

Drittens: Simpsons. Ja, es ist nicht originell die Simpsons zu mögen, sie zu verehren und ihre immense Bedeutung für die (Pop)Kultur zu betonen.
Für mich sind sie aber darüberhinaus noch viel mehr: seit Jahren liebe ich die Doppelfolge am frühen Abend, obwohl ich mittlerweile jede Episode mindestens schon drei mal gesehen habe. Die Simpsons waren auch die erste westliche Serie, an die ich mich bewusst erinnere. Im September 1991, der Fall der Mauer war noch keine zwei Jahre her, liefen die fünf Gelblinge zum ersten Mal durch das ZDF-Programm, und obwohl ich bestimmt nicht die erste Episode gesehen habe, kann es nicht sehr lange gedauert haben, bis ich sie entdeckte, wahrscheinlich aus purem Zufall, denn es herrschten strenge Fernsehvorschriften in meiner Familie.
Seitdem habe ich gelernt den Satz an der Tafel zu lesen (und zu verstehen), habe die Anspielungen nach und nach gefunden und begriffen und liebe den Couch-Gag wie beim ersten Mal.
Seit Jahren immer das selbe Spiel: Bart in der Schule, Homer im Kernkraftwerk, Lisa im Orchester, Marge und Maggie beim Einkaufen - alle auf dem Weg nach Hause, zur Couch. Unzählige Male hatte ich diese Routine gesehen. Und dann das: Seit Folge 20x10 'Take My Life, Please' gab es einen neuen Vorspann. Ich dachte erst, das sei nur temporär, so wie es die opening sequence auch schon mit echten Menschen oder an Feiertage angepasst gab. Aber das war und ist es nicht - die Simpsons haben nach 20 Jahren einen neuen Vorspann.
Dritte Reminiszenz: D'oh!

15.04.2009

Mein Reisefieber

Nun bin ich also wieder zu Hause angekommen - fast zehn Wochen war ich unterwegs. Zwischendurch kehrte ich zwar für 14 Tage ins kalte Lüneburg zurück, aber das war nur ein kleiner, notwendiger Zwischenstopp, um endlich mein Studium abzuschließen.
Dann wurde der Rucksack wieder gepackt und es ging in die Weiten der Welt: nach Rom. Zur Sonne, zu Giolitti, nach Trastevere - und zu einem Erdbeben.

Bevor das terremoto mich und meine Familie aus dem Schlaf riss (außer meine Cousine - die allerdings auch kurz vor ihrer Medizin-Examensprüfung steht und dementsprechend auch in einer ganz anderen Welt lebt, in der ein Erdstoss nicht ausreicht, um den wertvollen Schlaf zu unterbrechen) manifestierten sich zwei Gedanken: 1.) ich brauche nur Sonne und guten Café und jeder Ort der Welt ist schön 2.) am schönsten ist es, dort die Hälfte der Zeit alleine zu verbringen.

Besonders die zweite Einsicht beschäftigt mich nachhaltig. Mich haben 6 1/2 Jahre alleine leben zu einem größeren Sozialphobiker werden lassen, als bisher angenommen. Jede Gruppe, größer als drei Personen, ertrage ich nur noch für einen begrenzten Zeitraum. Maximal drei Tage, noch kürzer, wenn es auch so ausgeprägte Persönlichkeiten sind wie ich.

Ich bin nicht stolz darauf, aber der erste Schritt zur Besserung ist ja bekanntlich die Einsicht.

Und was ist die beste Therapie? Ab unter Menschen natürlich. Und damit kommen wir wieder zum Anfang - zu meinem Reise- und Sonnenfieber.
Es kribbelt in mir; stetig und an Intensität zunehmend. Ich will nicht hier bleiben, ich will wieder in die Welt und sehen, was ich noch nicht gesehen habe. Essen, was ich noch nie geschmeckt habe. Und vor allem will ich wieder gelassener sein. Denn, sei es die Sonne, sei es das Fehlen von grimmigen, überernsten Deutschen - während meiner Zeit in Kambodscha und Thailand war meine Sozialphobie weniger ausgeprägt, war mein Gesicht fast immer von einem stillen, glücklichen Lächeln beseelt und ich war zufrieden, mit dem, was ich hatte. Vor allem merkte ich dort, dass ich vieles, was ich vorher als absolut lebensnotwendig erachtet hatte, gar nicht brauche; dass der ganze angesammelte Besitz zu keinem Zeitpunkt vermisst wurde, sondern die knapp zwölf Kilo Gepäck, die ich mitgenommen hatte, völlig ausreichten.

Vielleicht wird es Zeit für ein paar ernsthafte Veränderungen. Und die Zeit und Umstände passen.
Morgen werd ich mir einen großen Sack nehmen und anfangen, mich von meinem alten Leben Stück für Stück zu verabschieden.
Manchmal muss man eben doch in die Ferne schweifen um sich selbst zu finden.