23.11.2009

Meine Weisheit des Tages III

Briefe bewahrte man wie einen Schatz auf, holt sie Jahre später aus einer verstaubten Kiste und liest sie mit einiger Verwunderung.
Diese Reise in die Vergangenheit wird zunehmend schwieriger, denn nur selten wird der Stift noch in die Hand genommen, werden die Gedanken und Gefühle, die Ereignisse und Nichtigkeiten des Alltages zu Papier gebracht.
Stattdessen werden tausende kurzer Nachrichten durch die virtuelle Welt geschickt, veröffentlicht man seine Gedanken und Erlebnisse an digitalen Hauswänden.

Kürzlich begann ich die elektronische Korrespondenz, die ich mit einem Freund führe, zu archivieren. Ab und zu las ich eines unserer e-mail Gespräche und stolperte über bereits vergessene Blüten unseres geistigen Austausches. Nur wenige Tage danach fand ich eine dieser Epiphanien in seinem Blog wieder. Meine Nietzsche-Antwort damals und heutige Weisheit des Tages:
Der Witz ist das Epigramm auf den Tod eines Gefühls.

12.11.2009

Mein Tauchausflug mit Grizzly Bear

Seit gestern Abend schwebe ich auf Wolke vier, bin entzückt und entrückt und ein noch mehr verliebt in Grizzly Bear als davor.
Den Postbahnhof verwandelten sie in ein Aquarium, in dem man mit den sphärisch hallenden Männerchorgesängen förmlich durch die knapp 100 Minuten schwebte. Betörend schön zerbrechliche Stimmen, mächtig krachenden Gitarren und ein interessantes Bühnendesign. Dazu ein Publikum, dass sich sofort begeisterte und mit St. Vincent eine Ein-Frau-Vorband, die mit vielen Loops und noch mehr Einspielinstrumenten waghalsige Songberge schuf.
Von den Höhen hinab in den Bärensee - so und nicht anders muss ein perfekter Konzertabend sein.

Zum nachhören gibt es Grizzzly Bear zum download: "On A Neck, On A Spit" vom 2006er "Yellow House" Album, "He Hit Me (And It Felt Like A Kiss)" von der 2007er "Friends EP" und "Cheerleader" vom 2009er Album "Veckatimest", alles auf Warp Records.

Und noch ein gelunges Grizzly Bear Cover: Pivot mit ihrer Version von "Colorado", erschienen 2009 auf "Warp20", ebenfalls Warp Records.
(download: rechte Maus-> Ziel speichern unter)

11.11.2009

Meine Stillosigkeit

Ich las einmal, dass, um seinen eigenen Stil zu finden (und die Wohnung nicht wie eine Kopie des Ikea-Kataloges aussehen zu lassen), man nur mit Tisch Bett und Stuhl umziehen sollte. Mehr brauche man am Anfang nicht. So erhält man die Möglichkeit sich bewusst(er) einzurichten und keine standardisierte Coolness zu kaufen.
Ich bin mit viel mehr umgezogen und kenne mich mittlerweile (leider) viel zu gut im Ikea Katalog und in der Tempelhofer Filiale aus.
Vier (oder waren es sogar fünf?) Besuche in fünf Wochen und ein paar hundert Euro ärmer habe ich mich stilecht stillos eingerichtet.
Doch jetzt ist Schluss damit. Keine kurzen Ausflüge mehr (die in Wahrheit nie kurz waren sondern meistens mindestens drei Stunden dauerten), kein Einkauf von unnötigem Dekozeugs und Küchenutensilien.
Warum ich so sicher bin?
Weil Technik mich verführte und erzog.

Es gibt in der besagten Ikea Filiale nämlich Selbstkassierer-Kassen, an denen man mit Barcodescanner und Karte selbständig seine Waren abkassiert.
Als technikliebender Mensch stand ich natürlich an solch einer Kasse und folgte den Anweisungen, unterschlug es auch nicht den Einkaufsbeutel einzuscannen, ging glücklich (und viel ärmer als geplant) zur S-Bahn zurück. Als ich saß und ein Blick auf den Kassenzettel warf wurde mir auf einmal ganz heiß, ich hatte ich es schwarz auf weiß: ich hatte vergessen einen Artikel zu bezahlen. Und nicht einen kleinen Blumentopf oder eine Kerze. Nein, ich hatte den zweitgrößten Artikel, einen Korb, vergessen. Mit hochroten Ohren überlegte ich kurz, auszusteigen und mein Versehen zu melden.
Ich tat natürlich nichts dergleichen. Nur zu Ikea trau ich mich erst mal eine Weile nicht mehr.