28.05.2009

Meine Wahl

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Neues betrachtet er skeptisch, nur zu gerne bleibt er auf ausgetretenen Pfaden und vermeidet Risiken, die Unbekanntes potentiell darstellen. Das ist zwar traurig, aber nur zu oft auch wahr.
Abwehrend verweist man habituelles Verhalten ans Alter, da einem der mit ihm assoziierte Opportunismus wie ein Verrat an den Ideen und Idealen der Jugend vorkommt (wobei es natürlich ein Paradoxon ist, die Anti-Haltung als Individualismus zu verstehen).
Auch ich bin in der Gewohnheitsfalle gelandet - und habe den Ausbruch gewagt.
Mein unmerklicher Verfall ins Bequeme vollzog sich bei Wahlen. Ich bin begeisterter Wähler und habe, seitdem ich vor zehn Jahren zum ersten Mal meine Stimme bei Europawahlen abgeben konnte, keine Wahl verpasst und genoss jedes Mal meine ausgeübte Volkssouveränität.
Seitdem ich von meinem Stimmrecht Gebrauch machte war meine Wahl immer eindeutig. Ich habe bis dato immer einer Partei die Treue gehalten. Anfangs weil ihr Programm die einzig wählbare Option für mich darstellte, später weil es eine schöne Gewohnheit geworden war, mein Kreuz immer an der gleichen Stelle zu setzen. Inhalte und Programme wurden unwichtiger, die Macht der Gewohnheit führte meine Hand bei der Stimmabgabe.

Für die anstehenden Europawahlen hab ich mir die Wahlunterlagen per Post schicken lassen. Und zum ersten Mal habe ich mir Zeit genommen, wirklich viel Zeit, alles auf dem Wahlzettel zu lesen und mir Gedanken über meine Wahl zu machen. Schon länger fühlte ich mich bei meiner Standard-Partei nicht mehr 100%ig wohl, musste feststellen, dass unsere Ideen und Vorstellungen nicht mehr kongruent waren und ich aus Bequemlichkeit meine Stimme, meinen Anteil an der Souveränität, leichtfertig vergeben hatte.

Also nahm ich mir die 90cm(!)Wahl-Papier, begann Parteiprogramme nachzulesen, befragte den Wahl-O-Mat und entschied mich dann...für etwas Neues. Ein kleiner Schritt auf unbekannten Pfaden.

15.05.2009

Meine Weisheit des Tages II

"Viele haben ein überhöhtes Beziehungsideal" las ich heute bei Spiegel online. Eine Schlagzeile, die meinem Mantra entspricht: die romantische Liebe und die damit verbundenen Ideale sind eine Erfindung der Romantik und nicht zuletzt des Disney-Konzerns.

Ich plädiere für mehr Realismus in der Utopie!

10.05.2009

Mein Mut zur Intoleranz

Ein Freund schrieb vor kurzem über seine Toleranzgrenze. Das erinnerte mich an ein Kamingespräch, das ich vor einem Jahr führte. Ein mir an Lebenserfahrung weit überlegener Mann erläuterte, warum er nicht tolerant sei. Ihm zufolge müsse jemand, der von sich behauptet tolerant zu sein auch Toleranz gegenüber Nazis und Faschischten, radikalen Islamisten und Christen etc. pp. üben. Dazu sah er sich nicht in der Lage, ergo sei er intolerant.
Mir gefiel dieses Argument und als ich den Blog-Eintrag jenes besagten Freundes las musste ich sofort daran denken, dass es eigentlich unmöglich ist, tolerant zu sein.

Ein wenig Wanken in meine Übezeugung brachte dann die "Erklärung der Prinzipien der Toleranz". War ich viel zu intolerant gegenüber der Toleranz gewesen?
"Toleranz", heißt es dort, "bedeutet Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt."
Toleranz sei explizit nicht,"das Tolerieren sozialen Unrechts noch die Aufgabe oder Schwächung der eigenen Überzeugungen."

Wie aber soll ich Dinge aktzeptieren, die ich nicht tolerieren kann? Toleranz ist, nach Herbert Marcuse, letztlich nur ein parteiliches, subversives Mittel, ein Selbstzweck, der eine äquivalente Gesellschaft eher verhindert als sie zu befördern.

Das lässt mich wieder felsenfest auf dem Sockel meiner Überzeugung stehen.