07.10.2011

Meine Wahl II


Man muss wissen, was man will und dass man will.
                                                        Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung

Ich muss mich entscheiden, nein ich sollte mich entscheiden, kann es aber nicht. Oder will es nicht. Vielleicht kann und will ich es auch nicht.
Ich habe die Wahl zwischen zwei Alternativen - keine ist perfekt, keine erfüllt alle Anforderungen, beide sind reizvoll, beide sind herausfordernd.
Wie soll ich mich also entscheiden? Eine Pro- und Contra-Liste machen? Beides ausprobieren? Mich vielleicht gar nicht entscheiden sondern für mich entscheiden lassen?
Wähle ich, was gut für mich ist oder was ich gerne haben möchte?

Was für ein Dilemma: Ich weiß, dass ich will, aber nicht, was ich will!

26.09.2011

Meine Weisheit des Tages IV


Ich stehe vor einem gordischen Knoten und weit und breit ist kein rettendes Schwert. Was soll man tun, wenn Verstand und Gefühl wie Wasser und Fett ohne Emulgator sind? Wenn das Über-Ich das Ich nicht auf seine Seite ziehen kann und das Es sich wohlig von der Körpermitte aus verbreitet?
Erlaubt man sich dieses Oxytocinhoch unter der Bedingung der Ferne? Oder verzichtet man um den Preis zwischenmenschlicher Entfremdung?
Wo ist die Toilette auf dem Dach, wenn man sie braucht?

Meine Weisheit des Tages ist darum: machmal ist die richtige Frage schon die Antwort.

24.09.2011

Mein Blick zurück

Seit einiger Zeit schon rauscht es in den Musikblogs rund um den Globus. Neben den üblichen Hypes um das 'Next Big Thing', den Diskussionen um die Zersplitterung der Popmusik und den im larmoyanten Ton vorgetragenen Abgesängen auf die Musikwirtschaft, herrscht, zumindest soweit ich es überschauen kann, eine einhellige Meinung: ist es wirklich schon 20 Jahre her, dass es etwas wirklich Neues gab? Und: Du weißt, dass du alt wirst.

Heute vor 20 Jahren veröffentlichten Nirvana 'Nevermind'. Eine Platte, die die (Musik)Welt verändert hat, deren Einflüsse und Bedeutung mit der von zum Beispiel Pink Floyds 'Dark Side of the Moon', Miles Davies 'Kind Of Blue', Led Zeppelins 'Led Zeppelin' oder 'St. Peppers Lonley Hearts Club Band' von den Beatles gleichzusetzen ist.
Für mich steht dieses Album in meiner Bestenliste ganz oben, denn es war die erste richtige Platte, die ich mir selber gekauft hab. Ich war 13 alt, auf Klassenfahrt in Potsdam und hatte keine Ahnung von Musik oder von irgendwas. In meiner Welt war wichtig, welches Mädchen Steven gut fand, oder ob Steffen auf dem 'Ja -Nein- Vielleicht'-Zettel 'Ja' ankreuzte.
Warum ich Nevermind kaufte weiß ich heute nicht mehr. Und ich kann auch zugeben, dass es mir zwar gefiel, der Weg zu so etwas wie Musikgeschmack aber noch sehr lang war.
Warum das Album großartig ist, wofür es stand und steht und warum es danach eigentlich nicht mehr besser wurde im Musikbusiness - das wurde zu oft und treffend bereist gesagt und geschrieben.
Ich möchte heute nur auf das Spin-Magazin verweisen, die zum Jubiläum das Tribute Album 'Newermind' mit so illustren Gästen wie Amanda Palmer, Titus Andronicus, Telekinesis und EMA gegen eine E-Mail Adresse auf ihrer Seite zum freien Download anbieten.

Und auch der 'Lo-Fi-Dude' Porcelain Raft aus London liefert eine hörenswerte Version von 'Come As You Are' Porcelain Raft - Come As You Are

Herunterladen kann man den Track via disco naïveté .

18.09.2011

Mein Sommerende


Der Blick aus den trüben Fenstern in den noch trüberen Berliner Septemberhimmel zeigt deutlich: Der Herbst kommt, der Sommer geht vorbei.
Jetzt fragt sich der Daheimgebliebene natürlich "Welcher Sommer?", aber um diese wettersemantischen Spitzfindigkeiten soll es hier nicht gehen, sondern um das Gefühl. Jawohl, es ist keine Freud'sche Fehlleistung dass hier Gefühl steht!
Mein Gefühl sagt mir, dass es Zeit wird, in den Melancholiemodus zu wechseln. Aber hab ich ihn eigentlich seit dem grauen Winter 2010/11 wirklich verlassen? So richtig nicht. Jedenfalls nicht, in der Zeit, die ich in Berlin war. Liegt es also an der Stadt, dass der Blick auf die letzten sieben Monate so deprimierend ausfällt? Wirkt Berlin wie Prozium auf mich?
Oder besser gefragt: wo sind all die schönen Momente geblieben, die der Unerträglichkeit des Seins Leichtigkeit verleihen? Wenn ich mein Teebeutelorakel dazu befrage sagt es mir "Glück ist ein Geburtsrecht". So ein Unfug -  Glück ist vielmehr eine Entscheidung.
Ich entschließe mich ab demnächst glücklich zu sein.
Bis dahin unterstütze ich den Modus mit der Musik von Goldmund.


Goldmund "The Malady of Elegance" (2010) auf Type.

08.09.2011

Meine Woche

7 Tage sind 168 Stunden sind 10.080 Minuten sind 604.800 Sekunden sind eine Woche.
Ich bin heute erst bei Tag 5, bei 120 Stunden, bei 7.200 Minuten, bei 432.000 Sekunden...und würde am liebsten die Gardinen zuziehen, mich in meinem Winterbett verkriechen, 'The Notebook' gucken und nie nie wieder nach draußen müssen. Jedenfalls nicht für die nächsten 2 Tage, die nächsten 48 Stunden, die nächsten 2.880 Minuten, die nächsten 172.800 Sekunden.
Das geht alles nur leider nicht, weil in diesen grandiosen letzten Tagen meine Gardinenstange zur Hälfte von der Wand gefallen ist, mein dickes Flauschebett vakuumiert irgendwo ganz weit oben in der Abstellkammer verschollen ist, ich 'The Notebook' in einem Formatierungsanfall ausversehen gelöscht und Termine mit der Außenwelt habe.

Ohne philosophisch, pathetisch und/oder fatalistisch zu werden: manchmal geht es einfach nicht, das Leben und ich. Dann spaltet sich in mir ein Teil ab, multipliziert sich und ich stehe neben meinen Persönlichkeitsfragmenten, sehe sie in einer unbequemen Klarheit und sehne mich noch mehr nach meiner Winterdecke.

Mit Abstand betrachtet sieht man mehr, sieht man genauer und sieht man zuviel: Ich will mich nicht sehen müssen, wie ich wieder pubertäre Verhaltensweisen zelebriere. Auch finde ich mein Ich, dass in 5 Tagen 3x Laufen geht und es genießt erschreckend, weil es meinem faulen Gesamt-Ich vorführt, wie bequem es geworden bin. Ich will auch nicht meinem depressiven Ich, dass es kaum schafft, morgens aufzustehen, dabei zusehen, wie es mich wieder in eine (an)teilnahmslose Hülle verwandelt.

Ich möchte gerne durchschlafen, ich möchte gerne aufwachen und glücklich sein. Ich möchte, dass diese Woche endlich vorbei ist.

08.08.2011

Von Singapur

Fast am Ende meiner Reise bin ich jetzt den dritten Tag in Singapur. Das ist ein kleiner Kulturschock seit drei Tagen. Aber auch eine gute Moeglichkeit, sich wieder auf zu Hause zu freuen. Denn diese Stadt ist vieles: typisch suedostasiatisch, typisch westlich, gross und doch fussgaengerfreundlich, modern aber doch traditionell - ein Schmelztiegel!
Waehrend New York sich gerne mit diesem Titel schmueckt hat Singapur ihn wirklich verdient. Nicht nur gibt es hier vier offizielle Sprachen (Englisch, Tamil, Malaisch und Mandarin), hier leben so viele verschiedene Ethnien, dass man quasi ganz Asien (und eine kleine Minderheit von Europaern/Westlern) hier treffen kann. Diese Mischung macht es auch so angenehm hier zu sein. Zum ersten Mal seit vier Wochen wird man nicht angestarrt, weil man weiss und gross und blond und eine Frau ist. Man faellt nicht auf, kann Tourist, Student oder Expat sein. Wunderbar!
Denn so sehr ich auch die Zeit in Indonesien genossen habe, an das staendige angestarrt/angesprochen/angehupt/angeschrieen/angefasst werden hab ich mich nicht gewoehnen koennen und wollen. Hier ist das 'touting' (das aufdringliche werben/anpreisen von Waren/Dienstleistungen) offiziell sogar verboten! Wie so vieles anderes. Ueberall gibt es Schilder, die einem stets vor Augen fuehren, welche Strafe z.B. der Verzehr von Getraenken und Speisen in der U-Bahn nach sich zieht:
Wie heisst es so schoen: Singapore is a fine city ('fine' kann sowohl 'gut' als auch 'Strafe' bedeuten)
An Baugeruesten haengen riesige Plakate, die zur steten Achtsamkeit am Arbeitsplatz aufrufen. In der ganzen Stadt wird gemahnt, verdaechtige Personen/Verhalten zu melden. Das wirkt auf der einen Seite natuerlich paranoid und polizeistaatlich. Andererseits schafft es aber auch ein Gefuehl von Sicherheit, das ich bisher in noch keiner Stadt hatte, nicht einmal zu Hause.
Und was tut man so in Singapur? Dem Motto der Tourismusbehoerde folgen: 'Shop till you drop' (Einkaufen bis zum Umfallen). Die Dichte der Malls ist schon extraordinaer. Andere Superlative, wie Groesse (VivoCity: 139,000 m2) und Oeffnungszeiten (Mustafa Center: 24/7) machen diese Stadt zu einem Ort, an dem man Einkaufszentren getrost als Sehenswuerdigkeiten bezeichnen kann.
Und sie machen den Aufenthalt hier ungemein angenehm: waehrend es draussen sehr unangenehm schwuel/heiss werden kann und ein tropischer Regenschauer keine Unwahrscheinlichkeit ist, ist die naechste Mall nie weit, in der es nicht nur trocken, sondern auch kuehl (machnmal leider auch richtiggehend kalt) ist.
Und so schlender ich durch die Strassen, esse mich durch die Foodcourts, staune ueber die futuristische Architektur und nehme langsam Abschied von Asien.
...vorlaeufig...

01.08.2011

Von Paradiesen II

Alles ist im Fluss, stetig flexibel und änderbar. Beim letzten Eintrag war ich noch auf Bali, geplagt von Hähnen aber mit großen Plänen. Jetzt bin ich auf Lombok, genauer gesagt Gili Air. Und ich muss mich leider wiederholen (siehe den gleichnamigen Eintrag von vor zwei Jahren): ich bin im Paradies!
Und dahin ging es mehr oder weniger direkt. Die geplante Vulkanbesteigung fiel einer Blitz-Erkältung zum Opfer (wollte dass Glück dann doch nicht herausfordern und mit semi optimaler Ausrüstung und angeschlagener Gesundheit auf einen guten Auf- und Abstieg hoffen), der geplante Kochkurs mangelnden Teilnehmerzahlen.
Bali zu verlassen fiel mir nicht schwer, denn so richtig begeistern kann ich mich immer noch nicht für diese Insel. Obwohl ich dort wunderschöne Strände, kitschige aber darum nicht weniger atemberaubende Sonnenuntergänge, verzauberte Tempel und friedliche Affen gesehen, interessante Leute kennengelernt und wiedergetroffen habe - das alles passt nicht so recht mit den Erwartungen und Vorstellungen im Vorfeld überein, wie ich bereits berichtet hatte.
Lombok, nein Gili Air, ist dagegen ein Traum: hier gibt es türkises, kristallklares Wasser, weiße Strände (die zugegebener Maßen die schmalsten der drei Gilis sind), die man nur für sich zu haben scheint, spektakuläre Sonnenuntergänge, frisches Seafood wo man nur hinschaut, wunderschöne und vor allem intakte Riffs...und kein motorisierter Verkehr. Den Rinjani seh ich jeden Morgen, wenn sich die Sonne aus seinem Schatten hervorkämpft. Von der richtigen Stelle aus kann ich sie dann Abends hinter dem Agung (Vulkan auf Bali) blutrot wieder im Meer versinken sehen.
Sonnenuntergang auf Gili Air
Ich schlafe hier sogar draußen: mit Blick in den Sternenhimmel und dem Meerrauschen im Hintergrund. Da es auf Gili Air nicht wirklich etwas zu tun gibt gehe ich etwa zweimal am Tag um die Insel herum (dafür ist aber mein etwas vom Schuss ab liegender Bungalow verantwortlich, so dass ich zum Abendessen allein schon einmal um die halbe Insel gehe), ziehe vom Strand vor meiner Tür, der ziemlich windig, dafür aber sehr einsam ist, zur windabgewandten, populären Seite. Man schippert rüber zu den anderen Gilis (Meno und Trawangan) und genießt ansonsten das süße Nichtstun mit den ein oder anderen Buch.
Und man schwimmt bzw. schnorchelt mit Schildkröten!
In zwei Tagen muss ich leider weiter nach Mataram, der Hauptstadt Lomboks, für meinen Flug nach Jakarta und Singapur. Ich werde das Paradies vermissen!


Blick von Gili Trawangan Richtung Lombock

Strand von Gili Meno mit Blick auf Gili Trawangan

24.07.2011

Von Hähnen

Nachdem das zeitliche Indonesienbergfest bereits verstrichen ist steht mir das physische noch bevor. Ich hatte ja im Vorfeld keine Pläne gemacht, was ich hier alles machen bzw. wohin ich wollte. Diese Strategie hatte sich bewährt.
Ich ließ Zugfahrpläne oder andere Mitreisende entscheiden wohin es gehen sollte. Ich ließ mich treiben, blieb, wo es mir gefiel, fuhr schneller als gedacht weiter, wenn es mir nicht gefiel. So kam ich auch zum Bromo, den ich zwar im Vorfeld schon als mögliches Ziel ins Auge gefasst hatte, aber dass es sich dabei um einen Vulkan handelt und damit ein Aufstieg verbunden war, drang nicht bis in mein Bewusstsein vor. Nun ist es kein Geheimnis, was ich vom Wandern (gar nichts) oder Gehen (100m? Warte, ich hol schnell mein Fahrrad) halte. Und was tue ich hier? Steige auf einen Vulkan und gebe transportwilligen Einheimischen zur Antwort: 'I like to walk'. Und das meine ich sogar ernst. Dieser Sinneswandel rührt einerseits in der Tatsache, dass ich mich immer noch weigere hier aktiv als motorisierter Teilnehmer am Straßenenverkehr zu partizipieren und ich andererseits keine Lust verspüre, mich von Kindern auf ihren Mopeds durch die Gegend fahren zu lassen (der einzig halbwegs sichere Weg, nämlich einen Fahrer + Auto zu mieten, scheitert am Geld). Also laufe ich. Mal nur ein paar Kilometer durch die Stadt, mal längere Gänge zur nächstgelegenen Sehenswürdigkeit.
Und nun hat mich doch noch der Ehrgeiz gepackt.
Ich reiste für einer Weile mit Merlijn, einer Holländerin zusammen. Gemeinsam machten wir uns auch auf, den Bromo zu meistern. Auf Bali trennen sich dann unsere Wege: während es mich ans Meer zog, machte sie sich auf den Weg nach Lombok, um dort gleich den nächsten Vulkan, den Gunung Rinjani, in Angriff zu nehmen. 3 Tage und 2 Nächte sollte die Gipfeltour dauern. Ich winkte gleich ab als sie mir vorschlug mitzukommen: zu teuer und ich hatte auch keine richtige Ausrüstung mit. Damit wäre das Kapitel eigentlich abgeschlossen gewesen, hätte ich in Candi Dasa nicht die Finnin Johanna getroffen, die gerade quasi vom Rinjani kam.  Sie schwärmte von der unglaublichen Tour, zeigte mir ihre wirklich tollen Bilder und erzählte  aber auch, wie hart der Aufstieg war.  Langsam bekam ich doch Lust. Und auch wenn ich mich relativ schnell entschied nicht auf den Gipfel zu gehen (dafür waren die Geschichten, die ich auch noch von Merlijn zu hören bekam zu gruselig), erschien die Alternative, Kraterrand & See, als mach- und finanzierbar. Nun bin ich also in Padang Bai und bereite mich schon mal auf das, was vielleicht noch kommt, vor.
Heute mit einem 16km Marsch zur Fledermaushöhle Goa Lawah. Das war allerdings eine recht ebene Strecke, trotzdem schmerzten hinterher nicht nur die Füße und Schultern. Und ich will einen 10h Marsch mit einem Höhenprofil von knapp 1400m bewältigen?
Ohne mich am Abend in die geübten Hände einer balinesischen Masseuse begeben zu können?
Jawohl, denn eigentlich ist auch nur der Hahn, nein der Hahn-Harem, der sich in unmittelbarer Nähe meiner Unterkunft befindet, Schuld. Die haben nämlich eine gestörte innere Uhr wie es scheint: Abends um halb zwölf gab es die erste mehrkrähige Kostprobe, das wiederholte sich pünktlich um sechs Uhr morgens, dauerte dann aber mehr oder weniger 90 Minuten, so dass an Schlaf auch nicht mehr zu denken war. Wie soll man unter diesen Voraussetzungen auch gut wandern können?
Ich hoffe, am Rinjani gibt es nur einen Hahn. Der darf dann auch gerne um sechs Uhr morgens krähen. Da sind wir dann schon längst unterwegs.

Am White Beach bei Candi Dasa, der auch seine dunkle Seiten hat, trotzdem wunderschoen ist

23.07.2011

Eindrücke

Borobodur - groesste buddhistische Tempelanlage
Prambanan - Hinduistische Tempelanlage
Panorama Yogyakarta
Vulkan Bromo (links, wo der Rauch aufsteigt)
Am Fusse des Bromos - Blick auf eine Mondlandschaft
Pura Taman Ayun - ehemaliger Koenigspalast in Mengwi bei Ubud
Pura Tanah Lot
Morgendliche Exerzieruebung der Schulkinder in Candi Dasa
Eine kleine Speisenauswahl
(in Lovina Beach)
(in Candi Dasa)
(in Bandung)
(in Yogya)
(in Ubud)

21.07.2011

Von Bali

In der Uni lehrte man mich, dass die Welt, die wir erleben so im Prinzip gar nicht existiert sondern durch uns, unsere Handlungen und Zuschreibungen  konstruiert und   sprachlich abgebildet wird. Bali, so wir es ist, gibt es also eigentlich hat nicht. Das Bali in meinem Kopf war eine Synthese aus Erzählungen, Filmen und Büchern. Eben jenes Bali wirkte geradezu magisch, wie ein Eiland-Paradies. Leider ist es fast immer unmöglich seine Kopfbilder mit denen der Realität in Einklang zu bringen bzw. sie dort wieder zu finden. Bali gibt es also nicht.
Es gibt zum Beispiel Lovina Beach: im Norden der Insel gelegen, grau-schwarze Strände, ruhige See. Hierher kommen Familien oder Backpacker, die keine Lust auf den Kuta/Südbali Trubel haben. Es ist hier so beschaulich und ruhig (kaum die ewig nervenden Strandverkäufer, keine plötzlich aus einer dunklen Ecke hervor springenden Balinesierinnen, die 'Massage' schreien, keine am jeder Straßenecke lungernden Taxifahrer), dass man ohne Probleme eine Woche hier bleiben könnte, auch um sich vom Java-Trubel, -Dreck und -Lärm zu 'erholen'. Nur fehlt eins zum Glück: die Bali-Strände. Die es so natürlich nicht gibt, wie weiter oben festgestellt.
Lovina Beach war nun aber mein Bali-Einstieg und konnte nicht mit meinen Vorstellungen in Einklang gebracht werden. Ich weiß auch nicht genau, was ich erwartet hatte und man verstehe mich nicht falsch, es war/ist sehr schön dort. Aber das soll Bali sein? Dass ist der Ort von dem alle schwärmen?
Gut, wenn man sich entscheidet nicht in das Haupttouristengebiet, den Süden, zu fahren, kann man auch nicht auf die Bilderbuchstrände hoffen.

You can't always get what you want

Ich versuche mein Glück heute in Candi Dasa. Ein Ort, der recht kurios ist, denn für einen Touristenort, der er nach ehrgeizigen Investorenplänen hätte werden sollen, fehlt ihm etwas entscheidendes: der Stand. Der verschwand durch Erosion vollständig just dann, als die ersten Hotelanlagen errichtet waren.
Ein Ort der sich wehrt; gefällt mir.

17.07.2011

Von Rauchzeichen


Ich sitze vor meinem Bungalow, höre das Meer rauschen und Geckos rufen. Soweit ist alles ganz idyllisch hier in Lovina Beach in Nordbali. Unter meinem Stuhl brennt eine Mückenspirale und in den zwei Jahren, seitdem ich sie das letzte Mal benutzt hab, sind sie sehr viel intensiver geworden. Oder ich nur sensibler?
Etwas, dass mir bis jetzt bei jeden Asienbesuch aufgefallen ist: der Geruch. Sofort wenn das Flughafengebäude verlässt, manchmal sogar schon in ihm, riecht man sofort, dass man nicht mehr zu Hause ist. Es liegt immer ein leicht süßlich-würziges Aroma in der Luft. Das liegt zum einen natürlich an der Vielzahl von Räucherstäbchen, die überall verbrannt werden. Dazu kommen dann noch Massen an Autos, Motorrädern, Tuk Tuk, Bemos, Angkots (oder wie auch immer die Klein(st)transporte in den einzelnen Ländern heißen), die einen großen Anteil an der Luftverschmutzung und Atembelastung erzeugen.
Hier in Indonesien kommt noch ein Geruch dazu, den der gemeine Deutsche bereits aus seinen olfaktorischem Gedächtnis verbannt hat: der Zigarettengeruch. Hier fühlt man sich wie in der Serie 'Mad Man' (oder für die nicht so Tv-Affinen: wie in den 50er/60er Jahren). Es wird überall, wirklich überall geraucht. Ich war zwar noch in keiner Moschee, kann mir aber gut vorstellen, dass es selbst dort erlaubt ost. Es wird nicht um Erlaubnis gefragt, ist man z.b. zusammen in einem Auto oder in einem Restaurant. Da ist man als gemeiner Nichtraucher glücklich, dass das Leben mehr oder weniger ausschließlich Open Air stattfindet. Zudem scheint es eine fast reine Männerdomäne zu sein. Das dafür aber im jeden Alter.
Einzig Positives, was bei all der Raucherei anzumerken ist: die Müllbeseitigung, die in Kambodscha vielfach durch kleine Feuer am Straßenrand erfolgte und dadurch das Atmen manchmal fast unmöglich machte, findet hier so gut wie gar nicht statt.
Rauchzeichen ganz anderer Art durfte ich dann vor wenigen Tagen erleben. Nachdem wir zur unsäglichen Uhrzeit von 3:15 Uhr aufstehen mussten, unterwegs der Jeep wegen eines Lecks in der Treibstoffleitung gewechselt werden musste, wir im stockdunkeln einen recht steinigen Anstieg bewältigen mussten (dabei immer auf die Pferde, deren Dienste fußlahmen Touristen angeboten wurden, achten mussten, denn die traten recht gerne auch mal aus) wurden wir mit einem unglaublichen Ausblick entschädigt: der Bromo bei Sonnenaufgang.

Danach ging es direkt an den Vulkan. Dort fühle man sich wie ein Mitglied der Apollo-Missionen: als wäre man gerade auf dem Mond gelandet. So surreal sah die Aschelandschaft aus. Direkt am Kraterrand konnte man dann Rauchzeichen wir noch nie zuvor sehen: die eines aktiven Vulkans.

11.07.2011

Von Vergleichen

Die Welt ist übersichtlich und um uns die Orientierung und das Zurechtfinden zu vereinfachen bedient sich unser Gehirn verschiedener Hilfsmittel. Die Wahrnehmung ist eingeschränkt und um Neues besser und effizienter einzuordnen, vergleichen wir.
Das habe auch ich in den letzten Tagen gemacht und denke mittlerweile, dass das ein Grund ist, warum ich so lange brauchte, um hier wirklich anzukommen. Das würde ich nämlich erst heute, also fast einer Woche sagen. Gut, am Anfang stand die lange Anreise und das immer nur kurze Verweilen in Städten und das damit verbundene Weiterreisen und unterwegs sein. Seit Samstag bin ich nun in Yogyakarta (Yogya) und endlich in Indonesien angekommen. Davor flüchtete ich erst aus Jakarta, schien dann in Bandung festzustecken und gelangte mit viel Glück doch noch nach Yogya.
Wie berichtet musste ich, den indonesischen Ferien Tribut zollend, einen ungeplanten Zwischenstopp in Bandung machen. (Die beiden Holländer waren übrigens sehr verschlafen und ich mit Blog schreiben und Reiseführer lesen beschaeftigt.) War ich Anfangs noch ganz optimistisch über diese Entwicklung war das spätestens zwei Stunden nach der Ankunft vorbei, was nicht daran lag, dass ich ab dem Zeitpunkt in der Welt der  Backpacker-Unterkünfte angekommen war.
Als ich mir meiner Weiterfahrt nach Yogya organisieren wollte hieß es am Schalter einfach „ Alle Züge bis Montag Abend ausgebucht!“ Und so teilte ich meinen unfreiwilligen Aufenthalt in Bandung mit anderen Travellern.  Eine weitere Lektion lernte ich dann am Abend: nicht immer zahlt es sich aus den ganzen Tag durch die Stadt wandernd zu verbringen und auch konsequentes und bestimmtes Nachfragen am Bahnhof ist nicht falsch.
Denn als ich am späten Abend zurück man hatte sich eine kleine Gruppe im Empfangsbereich versammelt. Darunter war auch ein deutsches Pärchen, dass ich am Nachmittag noch vom Bahnhof ins Hostel mitgenommen hatte.So erfuhr ich von ihnen, dass es später am Nachmittag plötzlich doch noch möglich war eine Fahrkarte für den nächsten Tag zu bekommen. Ich hatte mich im Laufe des Tages zudem ernsthaft gefragt, was man denn bitte drei Tage dort tun sollte und die Tatsache, dass unter dem Fenster von meinem Zimmer eine Art Latrinenbach entlangfloss und ich so an den Toilettengängen der anderen Gäste akustisch und olfaktorisch teilhaben konnte, erhellte meine Stimmung ob des vermeintlichen Schicksals auch nicht wirklich. Was also tun? Wie schon in Jakarta Stadtflucht betreiben. Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf, was neben den immer wieder übel anschwellenden Gerüchen auch an einer jede Bewegung verhindernenden, weil man in einem Loch in der Mitte gefangen war, Matratze und einigen wenigen und vielen eingebildeten Ameisen lag.
Wie schon bei meiner zweiten Ankunft und der darauf folgenden Nacht in Bangkok vor 2 1/2 Jahren, war ich auch diesmal froh, dass ich aufstehen und nach draußen konnte.
Und es klappte sogar, meine Fahrkarte für einen winzigen Aufpreis für den gleichen Tag noch umzubuchen und zusammen mit einem holländischen Pärchen (ach ja, ist eigentlich noch ein Holländer zu Hause? Es scheint, als ob die Hälfte der Bevölkerung gerade auf alten Koloniebesuch ist...)machte ich mich dann auf den 8 3/4 h Weg nach Yoga. Mit an Bord ein Kamerateam (nein, nicht aus Holland, sondern Belgien, aber nahe dran, die nicht nur den gesamten Bahnhof sondern auch den Zug unterhielten mit ihren Dreharbeiten.
Meine holländische Reisebegleitung  im Interview mit einem belgischen TV-Team; an Deutschen waren sie nicht interessiert.

Der Weg von Abteil 2 zu Abteil 3 lässt einen Blick auf die Schiene zu.

Glücklich in Yogya angekommen zu sein erschien dann das unvermeidliche Schicksal, während der Hauptsaison und in einheimischen Ferienzeit zu reisen, nicht so schlimm zu sein im Vergleich zur Bandung-Latrinen-Alternative.
Und das es keinen noch so abgelegenen Platz, geschweige denn indonesisches Kaoh San Road -Äquivalent gibt, an dem man nicht bekannte Gesichter trifft, war unsere am Morgen aus Bandung getrennt gestartete Reisegruppe am Abend wieder komplett, so dass jetzt drei Holländer und drei Deutsche Yogya zusammen entdecken. 
Blick über Yogya
Warum dieser Eintrag 'Von Vergleichen' heißt? Nun, das Land ist Thailand und Kambodscha naturgemäß nicht unähnlich, man weiß in etwa was einen erwartet und und wird nicht enttäuscht. Ich glaube darum dass meine Schwierigkeit, so richtig anzukommen also auch damit zu tun haben, dass bisher der Neuheiten-Faktor fehlte, dass das ständig weiterwollen und -müssen gar keine nachhaltigen Eindrücke zuließen. Aber mit Yogya, einem Bier vor einem Supermarkt und einer Fahrradfahrt mit Towil, Merlyn und Sarah durch kleine indonesische Orte sind die Sensoren wieder re-bootet und ich endlich in Indonesien angekommen.

08.07.2011

Von Deja Vus

In Indonesien angekommen: déja vu. Jakarta ist groß, nein riesig, laut und stickig. Vor allem wenn es dunkel wird sieht man denn rötlichen Schimmer, der bedrohlich durch und über der Stadt wabert. Unterbrochen nur von kleinen grau-braunen Wolken die von den tausenden Motorrädern und Autos ausgehustet werden. Ähnliches hatte ich in Battambang erlebt. Dort sah ich allerdings keine Fahrradfahrer, die sich u.a. mit Gasmasken in den Verkehr wagten. Überhaupt der Verkehr: man denkt, man hat schon einiges gesehen, aber Jakarta ist ab jetzt das Maß der Dinge was Chaos, Lärm und vor allem Angst/Respekt angeht. Fußgänger scheinen nicht wahr-, zumindest nicht ernst genommen zu werden. Über eine Straße zu kommen bedeutet also auf eine Lücke im Verkehr zu hoffen (unwahrscheinlich), einen Einheimischen zu finden, der das selbe vorhat oder einen Polizisten, der den Verkehr für einen anhält (erstaunlicherweise klappte dies am Besten). Was kann man noch über Jakarta sagen? Ich zumindest nicht mehr, als das, was jeder Reiseführer tut: ein Moloch, in dem man nicht zu viel Zeit verbringen muss/sollte. So war der Plan auch am nächsten Tag, also heute, die etwa 10 stündige Zufahrt nach Yogyakarta zu bewältigen. Pünktlich aus dem Hotel (ja, Hotel! Diesen Luxus gönn ich mir in der ersten Nacht nach zwei Nächten auf harten Flughafenbänken und gefühlten zwei Tagen in nicht für große Menschen gemachten Flugzeugen) und angesichts des Gepäcks in rekordverdächtiger Zeit zum Bahnhof Gambir marschiert, nur um dort festzustellen, dass die beiden Züge, die täglich nach Yogyakarta fahren ausgebucht sind (jawohl Deutsche Bahn, man kann seine Züge auch nicht überbuchen, so dass die Leute trotzt 60€ ICE-Fahrkarte nicht für 4 Stunden im Gang stehen müssen!).


Also bin ich nun auf dem Weg nach Bandang, fahre nur 3 Stunden und treffe zwei Holländer aus der Lonley Planet-Kneipe von gestern Abend wieder.

05.07.2011

Von Zügen und Flügen, Teil II

Vor 1 1/2 Jahren saß ich, nach einer schlaflosen Nacht und unplanmäßig abenteuerlichen Anreise am Frankfurter Flughafen und musste wegen Dubaier Nebel ein wenig länger auf den Start ins Abenteuer Südostasien warten.
Diesmal geht es entspannter: kein Bahnstreik, keine nicht fertig geschriebene Magisterarbeit, keine Sorgen ob man zuviel/zu wenig/das Falsche eingepackt hat. Befallen von einer Sorglosigkeit was den (zwischenfallsfreien) Verlauf der nächsten 35 Tage betrifft sitze ich also pünktlich, entspannt (und mit säuberlich verpackten Gemüsetüten) am Hamburger Flughafen und bin ein letztes Mal mein pseudo-intellektuelles Ich:

28.06.2011

Meine Fußspur

Schnee macht uns zu Menschen. Theodor Adorno soll – so oder ähnlich – gesagt haben: Was ein Kind verspürt, das im Schnee seine Fußspuren hinterlässt, ist vermutlich das elementarste Gefühl des Menschen.

Auf diese Weise werden wir in diesen Tagen also geführt zu einem menschlichen Ursprungswunsch: Spuren zu hinterlassen. Wie Adorno uns an das zivilisatorische und kulturelle Streben erinnert, erinnere ich daran, wie wir wieder zu Kindern werden. Dazu müssen wir Hedonisten werden. Kinder sind es auch. Dazu brauchen wir erst einmal mehr Schnee, einen Hügel und einen Schlitten.

04.05.2011

Mein tempus quadragesimale

Es wird wieder über Erdlöcher respektive Höhlen gesprochen! Diese kuriosen mystischen Orte, an die Menschen sich scheinbar gerne begeben, wenn man sie nicht finden soll. Auch der gemeine Schoko-Osterhase und das ihm nah verwandte Osterei verstecken sich gerne unter Baumwurzeln, verlassenen Fuchsbauten oder dichten Rhododendronsträuchen.
Damit sind auch schon die zwei wesentlichen Themen dieses Eintrages genannt: Abtauchen und Ostern. Wer mich kennt weiß, dass ich dann und wann  gerne ein Moratorium für meine sozialen Interaktionen und die Kommunikation mit Freunden und Bekannten erkläre.


Dieses Jahr hab ich etwas Besseres gemacht: 1 ½ Monate Ohne (Facebook). Natürlich wird der erste Schritt von vielen Lesern auf mein Profil gehen um zu gucken, ob das denn auch stimmt, was ich hier schreibe – und ich gebe prophylaktisch hier gleich zu Protokoll: ja, ich habe nicht am Aschermittwoch angefangen! Zugegebenermaßen stand am Anfang eher die Abneigung über meine aktuellen Lebensumstände Auskunft zu geben und Banalitäten mit flüchtig Bekannten auszutauschen als ein fester Vorsatz sechs Wochen ohne Facebook zu leben.
Also ging ich erst in den Offline-Chat-Modus und antwortete nur noch sehr sporadisch auf Veranstaltungseinladungen oder Diskussionen in Gruppen. Und dann hab ich mich irgendwann gar nicht mehr eingeloggt. Es war mir relativ egal wer grade wo was gemacht, gegessen, gesehen oder ignoriert hat, wem was gefällt.



Ich habe stattdessen E-Mails geschrieben, wenn ich etwas von jemandem wollte oder sogar angerufen. Gut, das kam nicht signifikant öfter als sonst vor, aber bedeutete mir dann zumindest etwas mehr.
Hab ich etwas verpasst, hat mir etwas gefehlt? Zum Ersten kann ich nichts sagen aber das Zweite kann ich klar verneinen. Obwohl ich eigentlich ein ‚digital native‘ bin kann ich mich auch noch an eine Zeit Ohne erinnern: ohne Handy, ohne Internet, ohne E-Mail. Als man sich persönlich verabredet hat und Partys machte, ohne vorher eine entsprechende Gruppe zu gründen um seine Freunde ganzheitlich zu koordinieren.
Ich fand mein imaginäres Erdloch sehr schön, auch wenn ich erst mittendrin entdeckte, dass ich mich dort hineingesetzt hatte. Empfehlen kann ich es zudem auch – es muss ja nicht immer eine klassische Fastenzeit sein

Die Aktion 7 Wochen Ohne unterscheidet sich vom traditionellen römisch-katholischen Fastengebot: Der Fastenbegriff ist weiter gefasst und wird ausgedehnt auf die Enthaltsamkeit von persönlichen Gewohnheiten, auf Neuordnung des eigenen Alltags, um sich von dessen Zwängen frei zu machen und das eigene Leben neu auf die eigenen inneren Wertvorstellungen (und auf Gott) auszurichten.

25.02.2011

Mein Nekrolog



Blicke ich aus meinem Fenster sehe ich 17 Bäume. Größtenteils kahl. Einer trägt seitdem ich hier wohne eine Plastetüte in seinem Geäst. Sehr wahrscheinlich wurde sie einmal gebraucht, dann achtlos weggeworfen, vergessen. Jetzt arbeitet sich die Zeit und das Wetter an ihr ab. Mich wundert schon ein wenig, wie zäh sie ist, welchen Stürme sie, standhaft und den Ast fest umschlungen, schon stattgehalten hat.
Dieses Stück Plaste erinnert mich beim Blick aus dem Fenster an zwei Dinge: Zum einen freue ich mich auf den Frühling, denn dann verschwindet dieses trostlose Stück Zivilisationsmüll größtenteils im Blätterwerk.

Zum anderen unterliegt die Wertschätzung von Gegenständen einer immer kürzer werdenden Spanne. Das an einer Plastetüte festzumachen erscheint profan, ist aber gleichwohl symptomatisch: sie ist ubiquitär und simpel, erfüllt einen einfachen Zweck und ist dennoch multifunktional.

Dies soll keine Eloge auf organische Polymere werden.

Neben der halb zerfetzten Tüte fahre ich fast täglich an Fahrradleichen vorbei: an vor Monaten oder Jahren gebrauchten, nun scheinbar vergessen ubiquitären, simplen und einen einfachen Zweck erfüllenden Gegenständen. Einige sind mittlerweile genauso zerstört wie die Tüte, und klammern sich, ihr nicht unähnlich, mit verrosteten Schlössern an Laternenmasten, Geländern oder Gittern fest. Andere verschwinden mehr und mehr unter einer dicken Ruß-Staub-Schicht und unterscheiden sich fast nicht mehr vom trostlosen Grau des Asphalts.

Ich frage mich dann immer: Vermisst euch keiner? Warum wurdet ihr vergessen?
Ich vermisse mein Fahrrad nämlich ungemein.

Berliner Fahrradleichen I

Berliner Fahrradleichen II

Berliner Fahrradleichen III

Berliner Fahrradleichen IV

Berliner FahrradleichenV